von Jürgen Rams
Im nächsten Jahr gehe ich in den Ruhestand. Die Zeit der Erwerbsarbeit neigt sich also unwiderruflich dem Ende zu. 49 Jahre sind es her, dass ich eine Ausbildung begann. Die letzten 14 Jahre in der Männerarbeit der rheinischen Landeskirche.
Was löst das bei mir aus? Was macht das mit mir? Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf?
Zunächst beschäftigt mich diese Tatsache schon eine Zeit lang. Habe ich doch schon vor einiger Zeit darüber nachgedacht, eventuell früher in Rente zu gehen. Diesen Gedanken aber dann verworfen. Die Arbeit macht mir Spaß. Es gab Entwicklungsmöglichkeiten, neue Aufgaben boten sich immer wieder an. Auch darüber hinaus gab es keine Gründe, das Berufsleben vorzeitig zu beenden. So war schnell klar. Ich mach bis zum Ende weiter.
Aber was kommt danach? Leere, immerwährender Urlaub, neue andere Aufgaben? Wie wird das sein, nach 49 Jahren klar strukturierten Arbeitsverhältnissen an fünf verschiedenen Arbeitsstellen, wenn man den Zivildienst mitzählt, sechs. An fünf verschiedenen Orten. Zwischendurch noch mal studieren. Die Tage waren durchgeplant. Ich wusste immer, da warten Aufgaben, die erledigt werden wollten. Aber es gab auch viele Herausforderungen, es war notwendig, sich auf Neues einzustellen. Den eigenen Blick zu erweitern. Man war immer in Bewegung. Das Leben nahm einen mit.
Das alles soll nun vorbei sein? Nein, sagte ich mir und begann nach Möglichkeiten zu suchen, danach neue Aufgaben anzugehen. Allerdings nicht mehr mit dem Druck, der jetzt noch da ist: Die Erwartungen des Arbeitsgebers zu erfüllen, die eigenen Erwartungen bedienen.
Das war und ist ein ambivalenter Vorgang. Auf der einen Seite freue ich mich auf die dann neu zur Verfügung stehende Zeit. Aber es steht natürlich die Frage im Raum, wie geht das mit den neuen Aufgaben? Wird das befriedigend sein. Oder doch zu wenig Struktur, Abwechslung, Herausforderung. Ich weiß es nicht. Es ist ein Risiko. Wie jede Veränderung, die ansteht. Aber mir wird auch klar, Veränderungen gab es häufig in meinem Leben. Sie waren Teil der letzten Jahrzehnte. Sie gehörten dazu. Durch den Umgang mit ihnen haben sie ihren Schrecken verloren. Mit dieser Erfahrung lässt sich auch die nächste große Veränderung – das Ende des Erwerbslebens – bewältigen, so denke ich heute. Ob es so kommt, ist zumindest offen.
Doch auch andere Gedanken schieben sich immer wieder dazwischen. Wie lange werde ich noch gesund sein? Wie viel Zeit bleibt mir noch? Soll ich mich nicht einfach zurücklehnen und den Ruhestand mit der dann neu gewonnen Freiheit einfach nur genießen? Schließlich habe ich lange genug gearbeitet.
Nein, so wie ich mich kenne, werde ich das nicht lange durchhalten. Ich brauche Aufgaben, an denen ich mich abarbeite, die mir das Gefühl geben, gebraucht zu werden. Sinnvolle Tätigkeiten. Begegnungen mit anderen Menschen, das Gefühl da ist noch Leben drin. Also überlege ich, wie ich die Zeit danach gestalte. Was kann ich von meinen Ressourcen weiterhin einbringen? Welches Knowhow wird heute gebraucht? Gibt es Weiterbildungen, die mir eine neue Perspektive geben? Das alles schon unter anderen Vorzeichen. Ich muss es nicht mehr. Ich kann, wenn ich will. Es gibt keinen Arbeitsvertrag mehr, den ich erfüllen muss. Die Verantwortung wird weniger und anders sein. Das ist entlastend. Insofern ist es auch etwas, auf das ich mich freue.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!